Was versteht man unter Reverse Recruiting? Worin unterscheidet es sich vom Active Sourcing? Wie funktioniert Reverse Recruiting und welche Strategien und Tipps sollten Arbeitgeber unbedingt kennen? Das erfährst du hier in diesem Artikel. Und du bekommst Key-Learnings von Branchen-Insider Stefan Maas.
Voraussichtliche Lesedauer: 9 Minuten
Not macht bekanntlich erfinderisch. Fachkräftemangel ist in vielen Branchen an der Tagesordnung – v.a. im IT-Bereich ist die Not in Form von fehlendem Personal besonders groß. Echte Tech-Profis werden überall händeringend gesucht. Aber:
Es gibt schlichtweg zu wenig geeignete Bewerber. Der Kampf um die besten Köpfe tobt heftiger denn je. Unternehmen – gerade die KMUs – brauchen dringend neue Ideen, wollen sie in diesem Wettbewerb nicht hoffnungslos zurückfallen.
Bekanntlicherweise ist es mit herkömmlichen Methoden oft sehr schwer, richtig gute Leute zu finden. Die Kandidaten erwarten mehr als Angebote mit viel Geld, ein paar guten Worten oder Privilegien. Der neue Recruiting-Ansatz des Reverse Recruiting kann diese Erwartungen erfüllen und endlich wieder Interesse für offene Jobs schaffen.
Kommt beim klassischen Recruiting mit Stellenanzeigen und Co. oder auch beim Active Sourcing – der individuellen Kandidatenansprache – immer weniger heraus, muss ein neuer Plan her. Und den gibt es bereits: Reverse Recruiting.
Daraus ergibt sich ein Rollenverhältnis, das nicht nur die Generation Y oder Z sehr schätzt, sondern auch erfahrene und etablierte Kräfte. Sie ignorieren überwiegend allgemeine Stellenanzeigen und zeigen sich zumeist auch einer persönlichen Ansprache im Active Sourcing wenig offen. Sie wollen Teil von etwas Großem und Zukunftsorientiertem sein: Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit oder Ethik im Unternehmen sind dafür wichtige Eckpfeiler.
Was ist Reverse Recruiting: eine Definition
Reverse Recruiting ist wie der Name schon sagt quasi eine Art „Personalbeschaffung rückwärts“ mit dem Ziel, passende neue Mitarbeiter zu finden und leitet mehr und mehr eine erfolgreiche 180-Grad-Wende im Bereich Recruiting ein.
Die Methode meint das genaue Gegenteil des konventionellen Recruitings.
Wie funktioniert das genau?
Während sich beim klassischen Bewerbungsprozess der Kandidat beim Unternehmen bewirbt – entweder auf eine konkret Stellenanzeige oder initiativ – bewerben sich hier die Unternehmen bei den potenziellen Kandidaten. Sie heben die Vorzüge ihrer Unternehmenskultur und der angebotenen Jobs heraus und stellen sich anschließend den Fragen der Bewerber.
Der Arbeitgeber schlüpft dabei in der Rolle des Bewerbers, der Kandidat ist in der Position, sich aktiv für ein interessantes Jobangebot zu entscheiden.
Erinnert irgendwie an Active Sourcing?
Es gibt durchaus Ähnlichkeiten und Überschneidungen, aber eben auch Unterschiede.
Reverse Recruiting vs. Active Sourcing: Was ist der Unterschied?
Der Grundprozess bei diesen beiden Methoden ist ähnlich: Der Arbeitgeber macht in beiden Fällen den ersten Schritt. Es handelt sich um aktive Personalsuche. (Lies hierzu auch: Active Sourcing: 12 clevere Methoden für den Kontakt mit Kandidaten)
Allerdings folgt dann beim Active Sourcing wieder das klassische Bewerbungsverfahren. Wurde der potenzielle Kandidat kontaktiert und signalisiert Interesse an dem Angebot, folgt als nächster Schritt die Bewerbung auf eine konkrete Stelle. Und am Ende hat das Unternehmen das letzte Wort und entscheidet über Einstellung oder nicht.
Reverse Recruiting geht noch einen Schritt weiter. Hier übernimmt das Unternehmen die Rolle des Bewerbers. Der Arbeitgeber stellt sich den möglichen neuen Mitarbeitern vor. Quasi mit seiner Bewerbungsmappe.
Mittlerweile gibt es sogar spezielle Plattformen, auf denen man sein Profil mit allen Qualifikationen, Erfahrungen und Wünschen bzgl. Arbeitszeit, Gehalt, Arbeitgeber etc. anlegen kann. Dort bekommen sie dann Bewerbungen von Unternehmen.
Übrigens: Unten am Ende dieses Artikels kannst du das E-Book „66 Hacks für Entscheider“ kostenfrei herunterladen. Darin bekommst du 66 simple Tipps, um zur noch besseren Recruiting- und Entscheider-Persönlichkeit zu werden. Alle Tipps stammen aus meinem Buch „Der Mitarbeiter-Magnet – 302 Hacks für Leader“ (Haufe-Verlag). (Download-Link unten am Ende dieses Artikels👇)
Sinnbild einer neuen Generation
Personaler und Unternehmer durften sich vor nicht allzu langer Zeit noch relativ entspannt zurücklehnen. Auf ihren Tischen lag ein ganzer Stapel Bewerbungen und sie konnten sich die Top-Bewerber herauspicken.
Bei den Personalverantwortlichen ist heutzutage jedoch eine ganz neue Generation gefragt, damit das Recruiting funktioniert. Es braucht Marketing-Typen, Verkäufer, die von ihrem Unternehmen und den Möglichkeiten der angebotenen Jobs restlos überzeugt sind und voller Begeisterung authentisch darüber sprechen.
Reverse Recruiting: Wie und wo funktioniert es?
Das Wie: Schreibe eine spannende Bewerbung
Denke v.a. an eins: Du schickst eine Bewerbung! Du schreibst keine Stellenanzeige.
Den Kandidaten kennst du bereits und weißt, wie er sich welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Vorstellungen bzgl. Arbeitszeit, Gehalt usw. er mitbringt.
Im nächsten Schritt schickst du ihm deine Bewerbungsunterlagen. Hab dabei immer folgende Frage im Kopf:
Welche Bewerbung würde dich ansprechen?
Achte dabei auf folgende Punkte:
- Vermeide standardisierte E-Mails.
- Vermeide Massenmails.
- Vermeide langweilige Standardfloskeln.
- Schicke individuelle Bewerbungen.
- Schicke Bilder und Videos von deinem Unternehmen mit.
- Gib möglichst viele Infos zu deinem Unternehmen und zur konkreten Stelle.
- Sei sorgfältig: Achte auf Rechtschreibung, Grammatik, Grafik etc.
- Recherchiere im Vorfeld (zum potenziellen Kandidaten und zu seinem aktuellen Arbeitgeber).
Das Wo: Hier findest du Kandidaten
Wie schon angesprochen, gibt es verschiedene Plattformen für die Jobvermittlung, auf denen Kandidaten und Unternehmen ihre Profile hinterlegen können. Eine dieser Plattformen ist z.B. Honeypot aus Berlin.
Eine weitere gute Möglichkeit, Kandidaten zu finden und mit Reverse Recruiting zu starten, sind Social-Media-Kanäle. V.a. LinkedIn bietet sich hier an.
Und eine dritte Idee, dich und dein Unternehme möglichst vielen Leuten zu präsentieren sind Messen und Events.
Stefan Maas ist CEO und Gründer von The Pitch Club AG, die mit der Pitch Club Developer Edition Reverse Recruiting Events für Software-Entwickler in ganz Deutschland veranstaltet:
Die Pitch Club Data Expert Edition für Datenexperten und die Pitch Club Developer Edition für Softwareentwickler sind gute Beispiele, wie Unternehmen ihre Vorzüge ganz im Sinne des Reverse Recruiting in einem neutralen Umfeld vor erfahrenen Kandidaten präsentieren können. Eine Selektion der gesuchten IT-Profis findet im Vorfeld statt, um Qualität und Wechselbereitschaft sicherzustellen. Man trifft sich bewusst an einem neutralen, eher ungewöhnlichen Ort für ein Bewerbungsgespräch: einer Bar oder einem Club.
Am frühen Abend geht es zunächst ums Business und die durchschnittlich zehn teilnehmenden Unternehmen schicken ihre IT-Verantwortlichen auf die Bühne, um ihre Stellenangebote, die Arbeitsweise sowie die jeweilige Unternehmenskultur kurz, knapp und präzise in sechs Minuten zu präsentieren. Anschließend stehen sie für drei Minuten den kritischen Fragen der vorselektierten Softwareentwickler aus dem Publikum zur Verfügung.
Später am Abend geht die Veranstaltung dann in einer lockeren Atmosphäre bei kühlen Getränken und Snacks ins Zwanglose über: Man unterhält sich von Entwickler zu Entwickler, fachsimpelt und lernt das Gegenüber recht ungezwungen kennen.
Ein solcher Ablauf kommt auf der Kandidatenseite gut an, weil er ganz anders und deutlich informeller ausfällt als der sonst übliche Bewerbungsablauf. Der lockere Austausch lässt Raum zum weiteren Kennenlernen.
Höre dir das Interview mit Stefan Maas und Arthur Rehm im B2B! Podcast an:
So überzeugst du die Kandidaten
Recruiting hat etwas von Marketing: Kenne deine Zielgruppe. Stell dich auf die Kandidaten ein, gehe auf ihre Bedürfnisse ein.
Stichworte wie Teamwork, flexibles Arbeiten, hybrides Arbeiten, Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit uvm. sind in aller Munde und werden immer wichtiger im Recruiting-Prozess.
Wie kannst du auf die Wünsche der Kandidaten eingehen? Denke über die folgenden Punkte nach:
- flexible Arbeitszeiten
- Homeoffice
- hybrides Arbeiten
- Weiterbildungsprogramme
- Unternehmenskultur
- Zuschüsse & Beteiligungen
- Nachhaltigkeit & Umweltbewusstsein
Key Learnings aus Reverse-Recruiting-Events
Insider Stefan Maas verrät seine wichtigsten Key Learnings aus der Praxis:
- Die Personalgewinnung im IT-Bereich steckt in einer tiefen Sackgasse und ist ein brutaler Arbeitnehmermarkt: Die Zahl der unbesetzten Jobs steigt und steigt.
- Big Player innerhalb und außerhalb der Branche räumen den engen Markt mit aller Macht ab und drängen KMUs noch mehr an den Rand.
- Klassisches Recruiting und selbst Active Sourcing scheitern immer häufiger, da die Kandidaten andere Anreize haben und sich die Jobs quasi frei auswählen können.
- Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit oder Ethik im Unternehmen sind wichtige Selektionskriterien für die Jobkandidaten.
- Ein U-Turn im Recruiting kann die Wende und eine Lösung bringen: Reverse Recruiting.
- CTOs und IT-Leads rekrutieren bei der “Pitch Club Developer Edition” Softwareentwickler mit authentischen Einblicken und überzeugenden Antworten auf kritische Fragen.
- HR kommt erst in einem späteren Schritt für die Formalitäten des Arbeitsverhältnisses ins Spiel und muss heutzutage erfolgskritische Sales-Fähigkeiten aufweisen.
- Der Trend zu Reverse Recruiting steht erst am Anfang und wird sich aller Voraussicht durch die demographische Entwicklung und den Digitalisierungsdruck weiter verstärken.
Mein Recruiting-Top-Tipp: Performance Recruiting
Zum Abschluss noch ein Video, in dem es um meinen absoluten Top-Tipp geht – um Performance Recruiting:
Mehr solcher Inspirationen habe ich im folgenden E-Book zusammengestellt, das aktuell noch gratis heruntergeladen werden kann:
Von einer guten zur brillanten Recruiting- und Entscheider-Persönlichkeit werden? 66 simple Sofort-Tipps:
Alle 66 Hacks, um von einer guten zur brillanten Recruiting- und Entscheider-Persönlichkeit zu werden, in diesem E-Book stammen aus meinem Buch „Der Mitarbeiter-Magnet: 302 Hacks für Leader“ (Haufe Verlag), das zum Start auf Platz 1 eingestiegen ist:
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Zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2023